Santiago de Chile – Chile (22. Dez 2011):
Nach einer im Verhaeltnis zu den letzten Distanzen gesehen recht kurzen Nachtfahrt von Osorno nach Santiago de Chile (nur 12h!), kam ich also am Morgen des 22. Dezember 2011 an einen der zahlreichen Busterminals der chilenischen Hauptstadt an. Diese liegt ganz grob gesehen in der Mitte von Chile, sowohl auf der Nord-Sued-Achse, wie auch auf der Ost-West-Achse. Mit ca. 6 Mio. Einwohnern (was gute 40% der Gesamtbevoelkerung entspricht) ist es nicht nur das unbestrittene politische Zentrum Chiles (und das, obwohl das chilenische Parlament (Congreso Nacional) im 1h entfernten und am Pazifik liegenden Valparaíso tagt), sondern gleichzeitig auch das unangefochten wirtschaftliche Herz des Landes.
Mit dem Taxi (Luxus pur, denn Santiago hat auch eine recht guenstige Metro) ging es also erstmal auf Wohnungssuche in Providencia, denn ich hatte keinen wirklichen Plan, wo das Appartment von Ari und Uwe lag. Diese zwei alten Konstanzer Freunde waren Ende Oktober letzten Jahres nach Santiago gezogen, denn Ari suchte eine Moeglichkeit nochmal im spanischsprachigen Ausland zu arbeiten und fand diese in einem neuen herausfordernden Job bei der Deutsch-Chilenischen Industrie- und Handelskammer (hoffentlich hab ich das jetzt korrekt wiedergegeben – ;)), und Uwe haengte in Deutschland seinen Job an den Nagel und zog einfach spontan mit. Zu Besuch fuer die Weihnachts- und Neujahrszeit war auch noch Gernot, Aris Bruder und ebenfalls alter Konstanzer Freund. Ich war froh endlich einmal auf Bekannte zu treffen, bei denen man nicht mit seiner Geschichte und Erzaehlungen wieder von vorne anfangen muss. die letzten zwei Monate hatte ich viele Kilometer abgespult, angefangen mit Alex in Brasilien, Uruguay und Argentinien, fortgesetzt mit meiner Mutter und Klaus im noerdlich chilenischen Patagonien und vor allem dann mit mir selbst und einem Affenzahn im Rest von Patagonien. Ich brauchte eine kleine Durchschnaufpause und hier warteten Freunde, die mich kannten und die mich mehr oder weniger nahmen und nehmen wie ich war und bin. Man konnte ueber alte Zeiten quatschen, ueber neue Entwicklungen im Leben diskutieren, Spass haben, ueber gemeinsame Freunde lachen, oder einfach mal den Mund halten und nich gleich komisch angeschaut werden. Einfach schoen, einfach erholsam. Trotzdem raechte sich der abends zuvor telefonisch erteilte Planungsfreischein fuer das dort wartende Trio sogleich, denn die Abfahrt in einen knapp 1000km noerdlich gelegenen Nationalpark ueber die Weihnachtstage war schon fuer den gleichen Nachmittag geplant. :) Waehrend ich den wenigen Schlaf auf dem Dachterassenpool des Apartmentkomplexes ein wenig auffrischte, kauften Uwe und Gernot zwischenzeitlich ein und packten das Auto. Am Nachmittag sammelten wir dann noch Ari von ihrem Arbeitsplatz in Las Condes ein und ab ging’s auf die Panamerica Richtung Norden – Kilometer abspulen. Das alles mit dem Ziel Copiapó, den von dort wollen wir oestlich in den Parque Nacional Nevado Tres Cruces reinstechen, um Weihnachten einmal ganz anders zu verbringen.
Parque Nacional Nevado Tres Cruces – Chile (22-26. Dez 2011):
Aufgrund des spaeten Aufbruchs kamen wir bis in die fruehe Nacht nur ca. 500km weit und legten einen spontanen Hosteluebernachtungsstopp in La Serena ein. Am naechsten Tag warteten noch weitere 250km bis Copiapó auf uns, doch schon das erste Tanken setzte die ganze Tour auf “on hold” – wir hatten die Rechnung ohne den smarten Subaru Forester gemacht, denn der schliesst sich nach 60sek immer selbst ab, voellig egal was oder wer noch im Auto ist. Dieses Mal waren es nur keine Personen sondern der noch haengende Autoschluessel. Und der Zweitschluessel, welcher mir aufgrund meiner nach Sicherheit ausstrahlenden Aura anvertraut wurde, befand sich in der Jacke, die aufgrund zuviel Hitze auch im Auto blieb. Asche auf mein Haupt, es half nichts, wir mussten das Gefaehrt anders aufbekommen. Sogleich schalteten sich auch die dort tankenden Chilenen ein und einer sah es wohl als besondere Herausforderung, oeffnete seinen Kofferraum und hohlte Draht und Holzkeil hervor (warum auch immer er es dort drin hatte). ;) Aber auch er scheiterte, denn er hatte die Rechnung ohne die Subaro-Schutzschienen um das Fenster gemacht. Als wir schon kurz davor waren, zu ueberlegen, ob wir das Schloss aufbohren oder die Scheibe einschlagen sollten (was ein Weiterfahren deutlich verzoegert haette), fanden Gernot und ich doch noch eine Schwachstelle am hinteren rechten Fenster. Durch eine kleine Oeffnung konnten wir den Draht einfuehren und durch die Autoklaubegabung unseres chilenischen Freundes auch recht schnell oeffnen. Die Freude war gross und mit in die Hoehe gestreckten Autodiebstahlwerkzeug feierten wir den Erfolg lautstark. Endlich in Copiapó angekommen, kauften wir noch einmal ordentlich ein, legten das Bier und Grillfleisch auf Eis, tankten diverse Reservekanister voll (ohne uns wie die Briten dabei anzuzuenden) und starteten am spaeten Morgen in den Nationalpark, dessen Strasse relativ schnell auf unebene Schotterpiste wechselte und sich drei Tage auch nicht mehr aendern sollte.
Die Gegend war garnicht bis äußerst grob in Reiseführern beschrieben, von Karten ganz zu schweigen. Das brauchbarste was wir zur Verfügung hatten, waren Straßenkarten einer chilenischen Tankstellenkette. So konnten wir die geplanten 4 vollen Tage und damit 3 Übernachtungen im Nationalpark auf unterschiedliche am Weg liegende Lagunen aufteilen. Soweit die Theorie zumindest. :) Die Schotterpiste kletterte leicht aber kontinuierlich, gab uns aber keine Möglichkeit es wahrzunehmen, da das gesamte Umland (Altiplano) mitstieg, Die Ockerfarben tanzten in ihrer Vielfalt und wenn man meinte die konplette Farbpalette bereits zu kennen, entdeckte man doch wieder einen neuen Farbton. Trist und doch so vielfältig, trocken und staubig und doch so frisch. Nach einigen Stunden und einer kleinen Passüberquerung malte sich am Horizont ein kleiner See in die Ockerfront – wir hatten unser erstes Tagesziel nahezu erreicht, die Laguna Santa Rosa. Wir hatten uns eigentlich schon auf Zelten am sumpfigen Seerand eingestellt, entdeckten aber relativ schnell ein winziges und unbesetztes Refugio.
Wir waren bereits knapp 4000m hoch, der Wind demonstrierte bereits seine Stärke und auch die kalte Dunkelheit war nicht mehr weit und so entschieden wir uns schnell für die schützenden Holzwände, wenn auch mit aufgebauten Zelten im innern um wenigsten dem Schmutz und Mäusegeruch ein wenig zu entgehen. Die Auswahl zwischen Ravioli und Spagetti ging auf’s erstere, der Campingkocher röchelte, der patagonische Fuchs schaute vorbei, ein massiver Sternenhimmel zog auf und bevor der Schlaf sich langsam unser annahm, merkten wir das erste Mal so richtig, wie allein wir hier oben eigentlich waren – und das während tausende Kilometer entfernt unsere engsten und besten Freunde gerade die Glühweintöpfe auf dem Konstanzer Weihnachtsmarkt austranken.
Der nächste Morgen bot besseres Flamingowatching als Tags zuvor, auch Kollege Fuchs spazierte wieder vorbei uns spekulierte wohl heimlich auf die restlichen Ravioli, welche jedoch auch für uns ein gutes Frühstück abgaben. Wir erkundeten in der näheren Umgebung noch den Salar de Maricunga, einen riesigen Salzsee, welcher direkt an die Laguna Santa Rosa grenzte und natürlich immer dankbares Fotomotiv ist. Tagesziel war allerdings diesmal die Laguna Verde, ein kleiner See, der noch deutlich höher und weiter in Richtung der argentinischen Grenze befand. Der Weg dorthin führte knapp unter den Nevados Tres Cruces vorbei, den drei beeindruckenden Bergen, welche vulkanischen Ursprung haben wie fast alle Berge in dieser Region und dem Nationalpark den Namen geben. Die Ausschilderung war sehr mager (genauso wie unser Kartenmaterial) und dadurch verfuhren wir uns recht oft – auch weil die Straßen nicht immer gleich sichtbar waren. :) Unsere Reservekanister mit Benzin und auch das Ersatzreifen beruhigten uns jedoch immer gleich wieder – bis zu dem Moment, als der Ersatzreifen zum vollwertigen Reifenmitglied des Subaros wurde.
Wir hatten uns einen Nagel in den linken hinteren Reifen gefahren, kein unmögliches Unterfangen auf der Grenzstraße nach Argentinien, da hier viele Trucks durchkommen, welche immer auch mal wieder Müll wie Holzpalette auf der Fahrbahn liegen lassen – durchaus tödlich Aussichten für Autoreifen. Wir hatten noch nichtmal Halbzeit und schon kein Reserverad mehr. Keiner wollte so wirklich drüber sprechen, aber zu diesem Zeitpunkt hatten alle zumindest ein leichtes ungutes Gefühl, was jedoch von der Vorfreude auf die Laguna Verde und dem Heiligabend in luftiger Höhe ein wenig verdrängt wurde. Und so ging’s auf der Schotterpiste zwischen weiteren schneebedeckten Bergen hindurch, fast alles 6000er, die aber gar nicht so hoch erschienen, da wir uns selber ja schon auf rund 4500m befanden. Nach insgesamt 5h Fahrtzeit tauchte ganz unvermittelt plötzlich ein kleiner See auf, dessen türkisene Farbe alles für mich jemals lagunenhaft gesehene in den Schatten stellte. Begleitet von einem mächtigen Vulkan, der sich im Hintergrund auftürmte und spiegelte, lag sie mit einem leichten Wind der über sie pfiff gemütlich da, eingeschlossen in einem mal wieder prächtigen Ockerorchester – die Laguna Verde.
Am Rand des Sees befand sich ein bewohntes Refugio, ein paar wenige Zeltplätze waren zum Schutz vor dem nächtlich ungemütlichen Wind mit kleinen Steinmauern umgrenzt. Neben uns waren noch ein paar Kletterer vor Ort, die sich allesamt mehr oder weniger erfolgreich versuchten für eine Vulkanbesteigung in den nächsten Tagen zu akklimatisierten. Von der Schönheit und Weihnachten geblendet, bauten wir in aller Schnelle unsere beiden Zelte auf, schnappten uns ein paar Bier und sprangen mit Badehose und Weihnachtsmütze in die am Seerand liegenden natürlichen Thermalquellen – fantastisch. 3 Bier und ein paar Weihnachtsliedern später kam uns in den Sinn, dass wir nur ein paar hundert Meter unter 5000 waren und wir sämtliche Warnzeichen der nicht zu unterschätzenden Höhenkrankheit wie z.B. Kurzatmigkeit und Kopfschmerzen bisher gewissentlich ignoriert hatten.
Der Alkohol war natürlich genauso wenig förderlich den Zustand zu verbessern und so hatten wir schon kurz vor Sonnenuntergang den ersten Ausfall (Uwe) zu beklagen. Mit Kopf-, Gliederschmerzen und Schüttelfrost kämpfte er sich durch den Heiligabend und die Weihnachtsnacht. Das geplante Weihnachts-BBQ fiel durch nicht so recht brennende Kohle mehr oder weniger aus und auch die Bescherung wurde aufgrund Kälte und Höhe von uns restlichen drei auf den nächsten Morgen verlegt. Um 19 Uhr Abend war der Heiligabend in luftiger und eisiger Höhe für uns gelaufen. Da am nächsten Morgen die Symptome nur unwesentlich besser waren, verkürzten wir das Frühstück und die verlegte Bescherung, packten unsere Zelte und schauten, das wir Land gewinnen, bzw. besser gesagt Höhe verlieren.
Tagesziel am ersten Weihnachtsfeiertag (25. Dezember 2011) war die Laguna San Francisco. Laut unserem groben Zeitplan, welche bisher eigentlich ganz gut aufgegangen war, sollte dies die letzte Übernachtung im Nationalpark werden, bevor es wieder Richtung nach Copiapó an der Pazifikküste und dann zurück nach Santiagogehen sollte. Nach einem kurzen 5000er Pass, welcher uns nochmal den Kopf richtig hämmern ließ, ging es endlich stetig leicht bergab und sogleich mit unseren Gemütszuständen bergauf. Es war der Tag der Vikunjas, die erst in 3er Gruppen und später in ganzen Herden nicht weit entfernt vom Straßenrand grasten und sogar kämpften (Brunftzeit?). So große Gruppen dieser wilden und trotz der teuren Wolle nicht züchtbaren Tiere (gehören der Lama-Familie an) hatte ich selbst damals im Jahre 2007 auf der Uyuni-Tour nicht gesehen.
Viele Vikunjas später erreichten wir die ersten Ausläufer der Laguna San Francisco, einem etwas größeren See wie die vorherigen beiden. Das dort am Hang erbaute Refugio war professioneller und größer – und kommerzieller. Sogar eine Tischtennisplatte gab’s hier oben, und auch eine Dusche! Der Besitzer war allerdings nicht aufzufinden, dafür jedoch eine von weither sichtbare Riesenreisegruppe, welche sich beim Näherkommen als Minenarbeiter rausstellten. Besonders Ari als unsere einzig weibliche Reiseteilnehmerin kam schnell mit den ca.100 robusten Chilenen ins Gespräch (vielleicht lag’s auch an ihrem perfekt flüssigen Spanisch ;). Wir drei Jungs hatten zunächst mit dieser Übermacht und abklingenden Höhenkrankheitssymptomen noch unsere Probleme und tauten erst auf als wir uns gegenseitig fotografierten und kurze Zeit später Modelstars waren und mit sämtlichen weiblichen Mineros (auch da gab’s ein paar) posieren mußten. Kurzum: die Gruppe, welche zur Feier von Weihnachten einen kleinen Ausflug weg von ihrer Goldmine unternommen hatten, entpuppten als richtig nette Versammlung, welche sogleich auch an unsere kleinen Tour interessiert waren. Als sie dann hörten, welche Strecke wir bisher allein (nur ein Auto) gefahren waren, stempelten sie uns allerdings als verrückt ab. Gleichzeitig warnten sie uns vor einer Übernachtung in diesem Refugio, denn es sollte noch in der gleichen Nacht Schnee kommen. Chilenische Mineros sind grundsätzlich gut informierte Leute – das Netzwerk und die Infrastruktur, die sich in den nördlichen chilenischen Anden aufgebaut haben, nötigt einigen Respekt ab. Und das auch trotz des schweren Grubenunglücks Mitte 2010, als über 10 dieser Mineros in einer Mine in der Atacama-Wüste wochenlang verschüttet waren und erst mit einer umfangreichen Rettungsaktion und viel politischen und medialen Getöse erfolgreich an die Erdoberfläche zurückgebracht worden waren (der chilenische Präsident Sebastián Pinera, der dies massiv instrumentalisiert hatte, ist seitdem in der Wählergunst mehr als nur gefallen).
Kurzum, wir waren eingeschüchert und überlegten ernsthaft, unsere Abreise in die Zivilisation um einen Tag vorzuverlegen. Allerdings war es schon Nachmittag und unser geplanter Rückweg hätte bis in die späte Nacht gedauert. Aber auch diese Überlegung hatten wir ohne die hilfreichen Mineros gemacht. Sie legten unsere Rückfahrt kurzerhand durch ihr Minengebiet – eine Abkürzung, die auf unseren Tankstellenkarten natürlich keineswegs verzeichnet waren. Wir bekamen alle Sicherheitspässe mit Notrufnummern und wurden gleichzeitig noch zum Duschen und Abendessen eingeladen. Ari rollt heute noch die Augen wenn ich wieder damit anfange, dass wir hätten dableiben sollen – denn ich vermute die guten Jungs und Mädels hatten sicherlich auch besten Pisco irgendwo gebunkert und eine chilenische Fiesta in einer Goldmine macht man nicht alle Tage mit. ;) Nichtsdestotrotz, in diesem Moment waren wir genug verängstigt, dass wir wegen des kommenden Schnees nur noch in tiefere Regionen wollten. Einige Tage in einer Goldmine festhängen war keine Option, denn auch Matze, ein weiterer Freund von uns allen, wollte zwei Tage später in Santiago einfliegen und mit uns Silvester am Strand in Pichilemu feiern. Also doch direkt los! Da die Strecke durchs Minengebiet durch schweres Gerät immer mal wieder blockiert war, bekamen wir Eskortfahrzeuge gestellt, die uns sicher durchleiteten und uns gleichzeitig unheimlich wichtig vorkommen liesen. Es ging noch einmal über hohe Pässe bevor sich die Straße am Ende stetig wieder nach unten schraubte – diesmal mit dem Ziel Valdenar (etwas südlich gelegen von Copiapó), wo mir noch eine Nacht Zwischenstopp machten, bevor wir am nächsten Tag (26. Dezember 2012) die Panamericana nach Süden trudelten um am frühen Abend wieder in Santiago einzutreffen. Es blieb noch ein wenig Zeit für ein gutes Essen in Bellavista und Waschen, bevor am nächsten Tag schon Matze einflog, mit dem wir (mit noch weniger Akklimatisierungszeit für ihn als für mich) uns sogleich in das 3h südwestlich gelegene Pichilemu aufmachten. Denn Silvester war nicht in wunderhaft eisigen Höhen geplant, sondern in aller Ruhe am wärmeren Pazifikstrand.
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Pichilemu – Chile (27. Dez 2011 – 1. Jan 2012):
Gleiches Recht für alle und so durfte Matze nach seiner Ankunft auch erstmal noch Poolluft schnuppern – immerhin kam er gerade aus dem eiskalten Hamburg eingeflogen und mußte erstmal akklimatisiert werden. Aber mehr als 2h bekam auch er nicht und so befanden wir uns bis zum äußersten Rand vollgepackt alsbald auf der Panamericana richtung Süden und suchten verzweifelt die Ausfahrt richtung Wesen zum kleinen Städtchen Pichilemu, einem 12000 Seelen Ort direkt am Pazifik und nebenbei mit seinem Strand Punta de Lobos noch Surferspot Nummer 1 im Land und Austragungsort für viele nationale und internationale Wettbewerbe. Kurz vor Ankunft schlug das Wetter von blausten Himmel in diesig und bewölkt um – ein Wetterzustand der uns die kommenden Tage noch desöfteren begleiten sollte. Wir hatten am Stadtrand und -hang eine nette Cabana gemietet und wollten hier gemütlich die nächsten 5 Tage bis Neujahr verbringen (27. Dezember 2011 – 1. Januar 2012), nebenbei ein wenig surfen, feiern, lecker essen und uns es einfach gut gehn lassen. Gesagt getan: die Surfspiele waren eröffnet, Es war zwar noch eine kurze hitzige Diskussion, ob wir autodidaktisch oder professionell instruiert vorgehen, aber die drei Anfänger Ari, Gernot und ich zogen dann doch einen Lehrer vor.
Wobei Lehrer ein breites Wort ist, denn am nächsten Morgen wartete ein 16-jähriger Surfjungspund auf uns, der uns erstmal zum aufwärmen im Dauerlauf über den Strand jagte. Mit warmen Muskeln, dickem Neopren und ein paar Trockenüberungen ging es dann in die Anfängerwellen – Weißwassersurfing wie es unser Bali-Warmwasser-Surfprofi Uwe abschätzig nannte. Auch Profi Matze blieb am sonnigen Strand und holte sich lieber einen saftigen Sonnenbrand, wovon sich dessen Nase erst Wochen später wieder erholen sollte. Wir hingegen schlugen uns garnicht so schlecht, denn schon bei meiner ersten Welle stand ich auf dem Brett – zumindest für Bruchteile einer Sekunde bevor mein überrumpeltes Gleichgewicht sich nicht weiter vereinnahmen lies. Wir hatten Spaß und versuchten es die darauffolgenden Tage zu fünft noch ein paar Mal ohne Lehrer – mehr oder weniger erfolgreich. Auch Silvester kam näher und wir beschlossen den Abend nicht wie alle Chilenen mit einem Asado (BBQ) zu gestalten, sondern steuerten am Silvesterabend geradewegs ins Städtchen um in einem spontan gefunden Restaurant mit viel Pisco Sour und einem guten Menü das Jahr 2011 ausklingen zu lassen. Uwe bekam zwar seinen ersten Nationaldrink über den Rücken anstatt vor sich auf den Tisch, aber ansonsten genossen wir die letzten Stunden im alten Jahr und machten uns rechtzeitig vor Mitternacht auf in den Stadtpark wo mir mit Dosenkonfettikrieg, Feuerwerk und viel guter Laune das neue Jahr begrüßten.
Unsere Nachbargruppe, bestehend aus drei netten Hauptstadtmädels, ließ sich unsere Unschuld mit Champagner und Salz abwaschen (eine angeblich chilenische Tradition, seine Hände mit Sekt und Salz zu waschen – deswegen haben die meisten auch zwei Flaschen dabei um im innern nicht ganz trocken zu bleiben) und anschließend pilgerte die ganze Meute noch in die Clubs am Strand um die noch junge Nacht gebührend ausklingen zu lassen. Mit unterschiedlichen Taxis trafen wir uns alle am frühen Morgen wieder bei den Cabanasm wo wir noch versuchten ein wenig Schlaf zu bekommen, denn bereits am späten Neujahrsmorgen stand die Abfahrt auf dem Plan. Obwohl, es war nur die Abfahrt bzw. Heimfahrt für Ari via Bus (sie mußte ab dem nächsten Tag eine Veranstaltung mit unserem dt. Entwicklungshilfeminister vorbereiten), wir vier Jungs verrlängerten unseren Trip noch mit einer Weiterfahrt richtung Süden und ein paar zusätzlichen Tagen im Parque Nacional de Conguillio.
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Parque Nacional de Conguillio – Chile (2-5. Jan 2012):
Durch den späten Start und unfreiwillige Stopps durch allgemeines Unwohlsein, kamen wir auch diese Mal nicht wirklich vorwärts. Immerhin schafften wir 400km und fanden spontan eine tolle Übernachtungsmöglichkeit im El Rincón kurz vor Los Angeles (dem chilenischen). Die Besitzerin Elke mit ihren Hunden begrüßte uns warmherzig zu später Stunde und tischte am nächsten Morgen ein wundervoll deutsches Frühstück auf, denn wir waren immerhin die ersten Gäste im neuen Jahr. Mit deutsch gefülltem Magen fährt es sich gleich doppelt gut und so erreichten wir Curacautín abseits der Panamericana ein paar gefühlte Minuten früher. Dort wurde nochmal der Tank aufgefüllt, Lebensmittel für ein paar Tage eingekauft, verzweifelt ein Lubricentro für einen neuen Reifen gesucht (nachdem der zwischenzeitlich in Santiago geflickte Reifen vom Nevado-Trip wieder anfing ein wenig Luft zu verlieren) und ab ging’s in den Parque Nacional de Conguillio, einem Nationalpark 600km südlich von Santiago der sich jedoch noch vor dem berühmten Lake District befindet und deswegen von den meisten Touristen links liegen gelassen wird.
Zu unrecht wie sich schnell herausstellte, denn schon der Parkeingang entpuppte sich als Nervenkitzel, als wir die zu Stein erstarrte Lavafurt des Vulkans Llaimadurchqueren mussten. Der 3195m hohe aktive Vulkan, der über dem ganzen Nationalpark trohnt, brach zuletzt im Januar 2008 aus, wo er innerhalb von wenigen Stunden um ganze 70m wuchs. Seitdem hat die Gefahr ein wenig abgenommen, aber trotzdem gibt es noch die Furten, in denen man sich nicht dauerhaft aufhalten darf um im Fall der Fälle den fließenden Lavaströmen nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Der Park ansich ist auch weithin bekannt unter dem Namen Los Paraguas, was übersetzt Die Regenschirme bedeutet und eine Anspielung auf die vielen Araukarien ist, welche überall in dem Park an den Berghängen wachsen. Conguillio bedeutet in der Sprache der einheimischen Mapuche-Indianer Wasser mit Pinienkernen und geht damit in die gleiche Richtung. :)
Nach einem kurzen Plausch mit dem Parkpförtner steuerten wir schnurstracks auf den Lago Conguillio zu, den hier sollte der bessere von den beiden Campingmöglichkeiten sein. Und in der Tat: Heinz, der der Pächter der Campingplatzes war und auch ganz gut Deutsch zu Tage brachte, schloß uns schnell in sein kommerzielles Herz und fuhr uns den am abseits gelegensten Platz, wo wir unsere beiden Zelte aufschlugen und erstmal in den 100m entfernt liegenden See sprangen – denn es war mörderheiß. Auf der einen Seite des Sees türmte sich der Vullkan empor, auf der anderen Seite die sogenannte Sierra Nevada, eine kleine schneebedeckte Gebirgskette, welche zum einen ein wunderschönes Panorama abgab und zum anderen zum Wandern nur so einlud. Erstmal kayakten wir aber ab zweiten Tag (3. Januar 2012) über den See zu einem im Vergleich zu Iguazu doch recht überschaubaren Wasserfall seiner Art. Egal, wir hatten Sonne und Spaß und Uwe war uns mit seinem Fischerboot immer auf den Fersen.
Am nächsten Tag ging es mit Wanderausrüstung auf den Sendero Sierra Nevadaund wir brauchten nicht lang um auf dem mörderheissen Weg auf die ersten Schneefelder zu treffen. Von den Araukarien gab es zwar durchaus beeindruckende, aber einfach zwecks Schatten zu wenig. Und fanden wir dann doch einmal ein wenig davon, machten und die ganzen Megabremsen (die Insektenvariante, auch Horseflies genannt) die nötige Pause zur Hölle. Trotz umwerfender Schönheit entschieden wir uns kurz vor dem Gipfel zur Umkehr, denn auch die nötigen Schneeschuhe für ein Weiterkommen hatten wir nicht mit an Bord. Der mich ereilende Sonnenstich und die schlechten Aussichten auch auf nur ein bisschen Schatten sorgten dafür, dass ich mir die für den kommenden Tag geplante Vulkanbesteigung nochmal gründlich überlegte und dann als gesundheitsschädigend zu den Akten legte. Gernot und Uwe hatten von der Hitze noch nicht genug und fuhren zur Abenddämmerung noch einmal mit dem Boot auf den Lago hinaus um ein wenig fliegenzufischen – nicht erfolgreich aber darum geht es auch nicht wie ich schnell lernen durfte. Die Bilder die sie zurückbrachten waren allerdings umso besser.
Und um den Fliegenfischexperten Uwe nicht unrecht zu tun: am Abend zuvor zog er einer der wunderbarsten Forellen aus dem See, die ich jeh essen durfte. Denn sie landete schnurstracks auf dem Grill, einer Beschäftigung, welcher wir so ziemlich jeden Abend nachgingen – leider nur einmal mit ordentlichen Fisch, sonst mußte das in Massen auf dem Campingplatz noch von den Festtagen übrig gebliebene Fleisch herhalten. Während dieser Abende wurden wir auch auf in der Gegend liegende Thermalquellen aufmerksam gemacht. Und da die Vulkanbesteigung sowieso abgesagt war, entschieden wir uns schon am 5. Januar 2012 nach einer kurzen Besichtigung des noch anderen See (Laguna Verde) die Zelte zu packen und dem Ausgang des Parks entgegen zu fahren, um die letzte Nacht bei den heißen Quellen zu campen. Blöd nur, dass sich diese heißen Quellen auf Privatgrund befanden und der Besitzer einige Wochen vorher entschieden hatte, diese zu schließen. Wir kämpfen uns also weiter den Weg durch die Pampa, noch einmal auf der Suche nach anderen heißen Quellen (erfolgreich, aber Hotel und damit zu teuer) und dann nach der Heißen-Quellen-Kapitulation auf der Suche nach einem guten Hostel (auch erfolgreich, aber nicht freundlich und auch zu teuer). Und so landeten wir nach einem steakigen Abendessen in Curacautin doch wieder 150km weiter bei Elke im El Rincón – denn diese freute sich uns selbst in den guten Zimmer zum alten Preis beherbergen zu dürfen.
Gallery (all great photos) – Chile – Parque Nacional de Conguillio
Santiago de Chile – Chile (6-19. Jan 2012):
Ein deutsche Frühstück später waren wir auch schon wieder auf der Panamericana richtung Norden, um am gleichen Abend in Santiago einzutreffen. Denn Ari leutete ihr Wochenende ein und wollte unterhalten werden. Außerdem rückte der Rückflug von Gernot und Matze immer näher und ein wenig Santiago als Sighseeing stand auch noch auf dem Programm. Und so flanierten wir das Wochenende in Santiago umher, versuchten uns an neuen Trendsportarten wie Batmanning, Euling, Planking und Leisure Diving, und schmissen am Sonntag Abend gleich noch ne Dachterassenparty für alle alten und neuen Bekannten der letzten Tage und Wochen. Hier traf ich auch endlich Jorge wieder, einen ehemaligen Trainee-Kollegen, mit welchem ich schon die wildesten Siemens-Seminare durchlebt hatte. Auch Marco, ein weitere Trainee-Kollege aus München, kam diese Tage nach Santiago eingeflogen, um mit seiner chilenischen Freundin Josselyn Urlaub zu machen. Immerhin ein gemeinsamer Nachmittag in der City und Bellavista war drin, bevor die beiden nach Peru weiterdüsten. Ruckzuck war auch dieses Wochenende rum und schon mußten wir Gernot und Matze an den Flughafen bringen, da der Rückflug nach Deutschland und das reale Arbeitsleben wartete. Dumm nur, dass wir nach Rückkehr aus Conguillio nicht das Innenlicht ausgeschaltet hatten. Zwei Tagen reichten für die Batterie und trotz Anschiebversuche war das Auto an diesem Tage nicht mehr zu retten. Also Taxi für Gernot und Matze und für Uwe und mich am nächsten Tag nach Besuch des chilenischen ADAC eine Stunde Spazierfahrt in die Berge vor Las Condes.
Dass ich noch weitere ganze zwei Wochen in Santiago verbrachte hat Uwe in meinem Reisebuch ganz gut auf den Punkt gebracht. Entschleunigung durch “Dusche, Strom, Shampoo, fließend Wasser (auch warm), Licht, WiFi, Zucaritas, Nudeln, Bier und Pisco”. Ich sammelte langsam wieder Energie, sortierte nebenbei auf Aris Powerlaptop meine 3000 Bilder der letzten Wochen, suchte zum ersten Mal seit Reisebeginn den Friseur auf und fühlte mich einfach wohl in einem tollen Apartment mit zwei noch tolleren Gastgebern in einer inzwischen in mein Herz geschlossenen Hauptstadt Südamerikas. Sie machten es mir nicht leicht zu gehen, und doch fühlte ich gegen Mitte Januar langsam wieder das Kribbeln in meinen Händen und Füßen. Ich war wieder bereit für neue Abenteuer und erkor als erste Station Nordchile aus – genauer gesagt Calama und San Pedro de Atacama. Zufälligerweise befand sich grad Niko in der Stadt, den aufmerksame Leser meines Blog jetzt natürlich sofort der Schifffahrt durch die patagonischen Fjorde zuordnen werden. Er wollte ebenfalls richtung Norden und so fanden wir uns tags drauf im 22h Cama-Turbus nach Calama. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass es eine lange gemeinsame Reise werden sollte. Aber das ist eine andere Geschichte… :)