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Heute vor einem halben Jahr…

February 16, 2007

…war kein Fasnacht und Schmotziger Dunschtig. Es war auch nicht bitterkalter Winter. Es war ein heisser Augusttag in Deutschland, als ich mich mit Koffer, Rucksack, Gitarre und Flipflops auf den Weg nach Schweden machte. Konstanz – Offenburg – Kopenhagen – Lund. Am Bahnhof wurde ich von netten Mentoren in roten T-Shirts und “Vällkommen till Lund” Sprechgesängen empfangen, die sich die ersten sonnenintensiven Spätsommer- und Frühherbsttage und -wochen intensiv um einen kümmerten…

…ein halbes Jahr später stehe ich nun auf der anderen Seite. Ich trage selber ein rotes T-Shirt mit fettem Mentoraufdruck auf dem Rücken, empfange im Regen die neuen Internationalen, fahre sie zu Ihren Wohnheimen und organisiere mit anderen Mentoren Events, um ihnen ein wenig die schwedische Kultur näherzubringen – sofern ich sie denn schon überhaupt selbst kenne…

Schweden Flagge…denn die schwedische Kultur ist doch schon mehr als kalt, blond und teuer. Diese Klischees sind zwar nicht ganz unberechtigt, aber es baut doch schon auf deutlich mehr auf und ist definitiv vielfältiger im Land der Elche. “Italiener des Nordens” habe ich mal irgendwo aufgeschnappt, was im Bereich Äußeres auch voll zutrifft. Auf Mode und Haare wird besonders Rücksicht genommen (d.h. investiert), manch eine Schwedin ist so braungebrannt, dass das Sonnenstudio nicht zu verleugnen ist. Im jungen Alter bleibt damit die Natürlichkeit manchmal auf der Strecke – Norwegen geniesst nicht umsonst den Ruf, natürlicher aufzutreten. Auch die Blondheit ist nicht so ausgeprägt, wie im Klischeedenken verankert – der dunkelhaarige Typ stellt durchaus eine respektable Breite und Basis. Zurückhaltender, passiver, neutraler – jaaa!! – Klischee erfüllt und es sollte definitiv nicht als Nachteil erachtet werden. Deutsche gelten im Generellen nicht umsonst oft als laut, selbstherrlich und besserwisserisch (nicht am Konsens interessiert). Man muss hier definitiv ein bisschen einfühlsamer und verständnisvoller für andere Positionen agieren, ansonsten stellt man sich schnell selbst in die Ecke – in meinen Augen aber das 1×1 eines jeden Auslandsaufenthalts, was jedoch immerwieder famos von Einzelnen wiederlegt wird. “Amerikaner sind wie Pfirsiche, Schweden wie Kokosnüsse” – ein netter und wahrer Satz, der ausdrückt, dass der Anfang nicht ganz so leicht ist. Wenn man die Schaale jedoch mal geknackt hat, kommt man ziemlich nah an das Innerste ran. Ich komme nicht umhin, immer wieder Parallelen zu Japan zu ziehen.

In anderen Bereichen unterscheiden sich die Schweden allerdings stark von Nippon – Trinkfestigkeit. Da lassen die Wikinger-Nachfahren sich nicht lange bitten und beanspruchen durchaus zurecht die Führung. Statistisch gesehen trinken sie jedoch weniger als z.B. die Deutschen, was wohl auch daran liegt, dass Alkohol teurer ist und deswegen nicht ganz so stark zum Alltag gehört wie in anderen Ländern – ist er jedoch da und steht ein Fest an, dann oftmals gute Nacht!! Und ja, die Tage sind kürzer, dunkler, deprimierender. In Lund wird’s eine ganze Stunde später hell als im Süden von Deutschland und natürlich auch eine Stunde früher dunkel – zumindest Ende Dezember, in welchem der 21te den kürzesten Tag darstellt (das vorweihnachtliche Luciafest am 13. Dezember baut übrigens genau auf dieser Wende auf und ist nur nicht am 21ten, weil der Brauchtum schon vor der gregorianischen Kalenderreform seinen Platz in Schweden hatte). Sei’s drum, im Sommer ist es dafür genau die gleiche Zeit länger hell und hier oben wird noch gegrillt, wenn ganze andere Nationen schon schlafen. Die richtige eisige Kälte, die Schweden oft in Verruf bringt, ist übrigens die meiste Zeit erst nördlich von Stockholm zu finden – heute allerdings nicht!

Und so frag ich mich doch ab und an in kalten Zeiten, warum ich eigentlich nicht in Australien oder Chile meinen Master gemacht habe. Die Saunakultur tröstet zwar temporär drüber weg, aber ganz kann sie weisse Strände und Buschfeuer dann doch nicht ersetzten. Im nächsten Augenblick allerdings weiss ich dann wieder, warum ich hier bin und nicht down under. Schwer zu erklären, es ist einach das Gefühl, dass es richtig ist. Ein inzwischen wirklich interessantes Studium, vielfältigste wundersame Leute, ausgedehnte gemütliche Fika, ein Schwimmbad unterm Haus, abwechslungsreiche Natur in einem 1800km “langen” Land, höflichste hübsche Bewohner und ein mitteralterlicher Stadtkern – es ist nicht das Einzelne das überzeugt, es ist wie so oft die Mischung die’s macht, das Gesamte…

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