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USA / Kanada

September 18, 2004

3 Wochen ist es nun her. 3 Wochen von geplanten 5 Monaten, in welchen ich vorhabe, ein wenig durch die Welt zu reisen.

Und die erste Etappe liegt bereits hinter mir. Die Westkueste der USA und Kanadas. Und es begann in San Francisco, der Stadt, die mir in dieser Zeit am meisten ans Herz gewachsen ist…

Was ich hier versuchen will zu beschreiben, ist kein reiner chronologischer Ablauf dieser Reise (obwohl ich seit Dietrich Schwanitzs’ “Bildung” eigentlich wissen muesste, dass Chronologie alles ist), sondern eher faszinierende Erlebnisse in fremden Staedten, neue Gefuehle des Selberkennenlernens und zufaellige Begenungen mit interessanten Menschen. Wer mich kennt weiss, dass ich kein Freund von Massenmails bin, lieber jeden persoenlich schreibe. Das dies in Zeiten von horenden Gebuehren in Internetcafes nicht gut gehen kann, ist mir inzwischen klar geworden. Deshalb versuche ich hier etwas zu bieten, wo jeder der Lust hat vorbeischauen kann. Kein lueckenloser Erfahrungsbericht, sondern eher vereinzelte Gedanken, welche aus den ganzen hier ueber mich hereinstuerzenden Erlebnissen fuer mich die bemerkenswertesten waren.

Doch zurueck zu San Francisco, wo am 26. August und 26 Grad Celsius alles begann – und mich sogleich fesselte. Nach inzwischen 3 Wochen habe ich kein Problem mehr mit diesem Gefuehl. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch so aktuell wie nie zuvor. Nach Leicester fuhr ich mit vier Leidensgenossen (man ist stark), nach Tokyo mit einer genauen Anfahrtsbeschreibung zum Hotel (bei dem ich abgeholt wurde), hier stand ich am Flughafen, hatte zwar immerhin die Adresse eines Hostels, aber sonst auch nichts. Fuer die Reichen ergibt sich aus sowas eine Loesung (die da heisst Taxi), fuer die weniger Reichen eine andere – kaempfen. Und zwar ganz alleine – ein Gefuehl, was ich dachte zu kennen, inzwischen jedoch der Meinung bin, dass die wenigsten aus unser Hemisphaere wirklich jemals Bekanntschaft damit gemacht haben.
Ich bin angekommen. Eine Nacht war geplant, vier sind es geworden. Es lag am Charakter. Am Charakter der Leute, welche ich kennenlernen durfte, und am Charakter der Stadt. Ein geologisches Auf und Ab, ein architektonischer Jahrhundertmix, ein tolles Flair.
Pete, ein 64 jaehriger Amerikaner aus Chicago, der nach seiner Pensionierung noch einmal bzw. zum ersten Malsein Land sehen wollte. VOn Ost nach West, ein Yosemite-Trip, die Teilnahme am Burningman-Festival (eine riesen alternative Party mitten in der Wueste) und wieder zurueck von West nach Ost. Das alles inmitten von durchweg juengeren Leuten. Und trotz seiner 64 Jahre war er der Juengste.
Jonas aus der Schweiz, der in Kalifornien umherreiste. Tolle Gespraeche, sehr guter Musikgeschmack, einfach sympathisch. Zwischendurch Erkundungen der Stadt allein und in der Gruppe, zu Fuss oder per Fahrrad, zwischen Haeusern oder im Park, inmitten der Stadt oder am Wasser, auf dem Boot oder auf der Golden Gate Bridge.

Und doch musste ich weiter. Vancouver war eigentlich geplant. Zuvor legte ich jedoch aufgrund nicht zu durchschauender Greyhound-Preisberechnungen einen Zwischenstop in Seattle ein – ich haette ihn mir auch sparen koennen. Eigentlich eine tolle Stadt, aber ich verglich ploetzlich. Und San Francisco gewann mit Abstand. Diesen Fehler habe ich Gott sei Dank schnell erkannt und seitdem auch nie wieder gemacht. Aber trotzdem war Seattle damit aus dem Rennen.

Vancouver – die Stadt meiner Traeume seit ueber 10 Jahren. Aufgrund dessen, dass ich mich auch hier vorbelastet hineinstuerzte, waren Enttaeuschungen vorhersagbar. Die erste folgte sogleich. Samesuns Backpacker Lodge. Riesiger (500 Betten), anonymer Backpacker-Schuppen. Mit dem Rucksack durch die Welt zu reisenist inzwischen einfach zu populaer geworden. Trotzdem, die Stadt ist klasse, der Stanley Park ein wunderschoener Fleck Natur, durch welchen mittendurch ein Highway fuehrt, Orcawal-Statuen mit einmaligen Kostuemen an jeder Ecke (beim Virgin Music Store ist ein Elvis-Orca) und einfach ueberall Wasser bzw. das Meer um einen rum. Und trotz Anonymitaet war da Shane aus Melbourne, mit welchem ich zwei Abende durch das Nachtleben von Vancouver stolperte. Stolpern deswegen, weil ich zum ersten Mal das australische Prinzip des gegenseitigen Bierausgebens kennenlernte.

Vancouver Island oder besser Victoria, die Hauptstadt von Britisch Columbia, war urspruenglich mal aufgrund eines Besuches angedacht. Je laenger ich mich allerdings mit dieser ruhigen Beamtenstadt im Vorfeld beschaeftigte, desto mehr bekraeftigte es mich darin, in jedem Falle und unabhaengigdavon hinueberzusetzen.
Ja, schon richtig gelesen. Ist Wasser dazwischen (nehmt Euch endlich mal nen Atlas zur Hand – macht viel mehr Spass, wenn man weiss, wo all das liegt). Eine sehr schoene Faehrfahrt mit Sonnendeck und waghalsigen Manoevern durch Inselpassagen, welche dazwischen liegen. Victoria ansich ist eine huebsche Stadt, ein wenig verschlafen, aber genau das ist der Reiz. Viele Ausstralier, eine amuesante Bierolympiade im Hostel, eine klasse Tour zu natuerlichen Whirlpools inmitten kalter Gebirgsbaeche und eine nette Schweizerin, die ich tags drauf nochmal in Vancouver getroffen habe, was zugleich mein letzter Abend in Kanada war, denn ich musste zurueck nach San Francisco, da ich dort eine Yosemite-Tour gebucht hatte.

Kanadier und Amerikaner. Ein staendiger Vergleich. Oft wird man gefragt, wen man sympathischer findet. Dabei ist das garnicht so einfach zu beantworten. Fakt ist: die Amerikaner haben die letzten vier Jahre unter republikanischer Fuehrung jede Menge Kredit verspielt. Ihr Image ist ziemlich zusammengebrochen. Dadurch wird natuerlich umso kritischer geschaut. Von jedem, auch von mir. Das Positive wird gefiltert, das Negative faellt auf. Anders bei den Kanadiern. Hier faellt das Positive auf, das Negative wird geschluckt. Wenn man wirklich versucht, neutral an die Sache ranzugehen, sieht man schnell, dass beide, Kanadier und Amerikaner, sich in vielen aehneln. Aber die Kanadier sind einen Tick gelassener, natuerlicher und nicht so aufgesetzt.

Zuerueck zur Tour. Bevor wieder San Francisco an der Reihe war, lag da noch Portland auf dem Weg zurueck. Diesen Tipp hatte ich aus Konstanz mitgebracht. Und er hat sich ausgezahlt. Ein wirklich kleines Hostel, sehr familaer und mit sehr gutem Service. Die Stadt ansich uebersichtlich, mit viel Gruen, einem bewegenden Holocaust-Mahnmal und einem gratis Nahverkehr. Respekt!

Portland – San Francisco. Wie alle meine laengeren Strecken in den USA und Kanada mit dem Greyhound. Und Greyhound ist ein Erlebniss fuer sich und verdient besondere Erwaehnung. Denn nirgends habe ich verschiedenere Leute kennengelernt als hier. Zum Vorstellen un Reinversetzen: Man nehme einen normalen Reisebus mit geringem Sitzabstand, setze so ziemlich alle sozialen Schichten Amerikas rein (nun ja, von den unteren Schichten ein wenig mehr und von den oberen ein paar weniger), lasse es bis auf den letzten Platz ausgebucht sein, et voila – Greyhound. Wenn man Glueck hat, steigt man nicht an einer Durchfahrtsstation zu, sondern beginnt die Fahrt in einer Stadt, wo der Bus frisch aus der Garage geholt wird. Dann heisst es: freie Platzwahl. Und dann macht schnell den Anfaengerfehler, zwei Sitze fuer sich zu nehmen, anstatt sich aus der warteten Menge das huebscheste Maedel rauszusuchen und sich einfach neben dieses zu setzen. Denn: der Bus wird immer voll. Und mit ziemlicher Sicherheit setzt sich spaetestens nach 30min ein uebergewichtiger, uebelriechender und patriotisch quasselnder Ami neben einen. Bingo! Amuesant ist auch zuzusteigen. Mit etwas Glueck hat man noch ein wenig Auswahl. Und dann heisst es Menschenkenntnis walten zu lassen, denn umsitzen gilt nicht. Da muss man dann durch. In meinem Fall 16h von Portland nach San Francisco.

Sarah-Jane begruesste mich schon mit offenen Armen. 6 Tage spaeter verabschiedete sie mich mit den Worten “Goodbye beautiful german boy”. Jetzt wisst ihr, warum ich diese Frau mag. Sie arbeitet uebrigens an der Rezeption des Green Tortoise Hostels in San Francisco. Und Green Tortoise besitzt auch eine Adventure Travel Company, mit welcher ich in den Yosemite National Park startete…

Man nehme wieder einen Bus (old school), reisse diese Mal aber alle Sitze raus und baut nen richtig gediegenes Matrazzenlager rein. Chillig. Platz fuer 40, wir waren 25, die Saison schien langsam auszulaufen. 3 Naechte, 2 Tage. Dies erreicht man dadurch, dass man spaet Abend in San Francisco startete, am naechsten Morgen dann im Park war, dort absolut beeindruckende zwei Tage verbrachte und anschliessend in der dritten Nacht wieder zurueckfuhr. Abgesehen davon, dass es wieder ein Erlebniss fuer sich war, in 2 Tagen 25 neue Leute versuchen kennenzulernen, hatte der Park doch einiges zu bieten. Die beruehmten Bilder, die jeder aus “Green Line 1” kennt, waren ploetzlich vor einem, in echt, real, einfach fantastisch, und viele bekamen ihren Mund auch nicht mehr so schnell zu. Dave und Forrest, unsere beiden Busfahrer taten ihr bestes, um uns eine nach der anderen Ueberraschung zu bieten. Gekocht wurde gemeinsam (der Bus – er hiess uebrigens Max – hatte wirklich alles dabei), dann unter freien Sternenhimmel geschlafen. Nicht jedoch bevor eine kleine Gruppe mit Forrest als Anfuehrer noch eine Nachtwanderung auf den Lambert Dome unternommen hatte. 15min nachdem wir laufgelaufen waren, fragten wir uns jedoch, warum Forrest unser Anfuehrer war. Er wusste den Weg nicht wirklich. Und am naechsten Morgen (bei Tageslicht und damit auch freien Blick auf den Dome) fragten wir uns dann, wer eigentlich so bekloppt sein kann, da nachts raufzulaufen. Die Antwort: Wir! Hatten den Weg doch noch gefunden und nach 4h und fast schon Morgengrauen dann ins Matrazzenlager zurueckgekehrt. Auf jeden Fall war als Tagesaktivitaet dann nochmal der Lambert Dome im Angebot (ganz super Forrest!!) und eine kleine Gruppe (warum Himmels Willen gehoere ich immer zu den kleinen Gruppen?!) dachte sich, dass man den Weg von der Nacht zuvor doch nun schon kennt und nun doch die steile Felsfront direkt erklimmen koennte. Hola die Waldfee, nie wieder!! Aber immerhin: Seitdem habe ich das Gefuehl, dass meine Hoehenangst nicht mehr so stark ist.
Um nicht auszuufern: Es war noch ein schoener zweiter Tag mit den Riesenbaeumen am Nachmittag, einem Saloonbesuch (der Aelteste Kaliforniens) am Abend und einer Uebernachtfahrt zurueck nach San Francisco als Abschluss.

Montag, der 13.09.2004 war das. Donnerstag ging mein Flieger in Los Angeles. Und anstatt meine Sachen zu packen und mich in den Bus zu setzten (ich wollte noch Santa Cruz und Santa Barbara sehen), machte ich es mir mal wieder viel zu lang im Green Tortoise bequem, schaute noch Alcatraz an und bekam einfach meinen Hintern nicht hoch.

Lange Rede, kurzer Sinn: Am Mittwoch Abend kam ich in Santa Monica an (bei Los Angeles – allerdings direkt am Wasser mit den netten Baywatch-Huetten), schaute mir Tags drauf im Schnelldurchlauf LA-Downtown, Hollywood, Beverly Hills, Santa Monica und Venice Beach an (das muss mir erstmal einer in 8 Stunden nachmachen), und steuerte am Abend LAX (LA Airport) an, um um 23.30 Uhr Richtung Fijis abzuheben. Ankunft 18.09.2004, 5.05 Uhr morgens. Ich verlor zwei Tage aufgrund der Datumsgrenze.

Wenn ich zurueckblicke auf die letzten drei Wochen: Es war hektisch, aber es war schoen. Staendige Auf und Abs. Langsam pendel ich mich jedoch ein. Ich gewoehne mich an diese Leben. Man lernt, sich auch die schlechten Tage in Gute umzuwandeln. San Francisco war sicherlich der Ruhepool, an den ich auch immer wieder gern zurueckgekehrt bin, wenn es mir zu viel wurde. Es ist schoen einen Ort zu haben, an dem man dies kann. Die naechsten 11 Tage werde ich versuchen, dies auf den Fijis auch zu finden. Das Rastlose und Ruhelose zu stoppen und sich einfach niederzulassen und auch einzulassen – auf so vieles…

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